Maria Irauschek (Geschäftsführerin des Weltladens Amstetten) und Ernst Gassner (Obmann des Vereins Weltladens Amstetten, Vorstands-Vorsitzender der ARGE Weltläden und Vorstandsmitglied von FAIRTRADE Österreich) erzählen im Interview u.a. über die Entwicklung von Fairtrade und der Weltläden, was Fairness für sie bedeutet und das Ziel eines Tages unnötig zu werden.
Es hat sich viel verändert. Wir feiern heuer 25 Jahre Fairtrade bzw. zu Beginn hieß es noch Transfair. Am Anfang war es schwierig und es hat Jahre gebraucht bis die erste große Lebensmittelkette eingestiegen ist. Zu Beginn waren es wenige Produkte: Kaffee, Kakao und Zucker, später ist Schokolade dazu gekommen und jetzt ist die Produktpalette sehr breit. Die Bananen waren das Erfolgsprodukt von Fairtrade nicht nur in Österreich.
Die Mengen haben sich zwar unglaublich verändert, obwohl es insgesamt noch immer bescheiden ist. Aber es ist eine Erfolgsstory. Wir haben beispielsweise den Anteil von fair gehandeltem Kaffee am österreichischen Kaffeemarkt von 0,3 % auf mittlerweile an die 6 % gesteigert. Dadurch haben viele Bäuerinnen und Bauern die Möglichkeit bekommen ihre Produkte zu fairen Bedingungen zu vermarkten.
Es gibt auch immer mehr fair gehandelte Produkte in Bio-Qualität. Doch es ist trotzdem wichtig, dass auch nicht Bio-zertifizierte Produkte das Fairtrade Gütesiegel bekommen können, denn es gibt einerseits Umstellbetriebe und es gibt auch Betriebe, die noch nicht so weit sind. Aber auch für diese soll es diese Absatzmöglichkeiten geben.
Wie ich vor 27 Jahren im Weltladen Amstetten angefangen habe, gab es die klassischen Produkte: Kaffee, Tee, Gewürze und Honig. Mittlerweile haben wir eine breite Palette an Lebensmitteln und auch viele sehr schöne fair gehandelten Textilien in Bio-Qualität.
Außerdem haben wir mit einem sehr kleinen Geschäft in der Bahnhofstraße angefangen, sind schon zweimal umgezogen und haben jetzt am Hauptplatz ein sehr schönes, großes Geschäft.
Ernst Gassner: Wir sind von 18 auf 100 m² gewachsen.
Maria Irauschek: Früher waren es vor allem pfarrliche, sozial engagierte Menschen. Das hat sich erweitert. Die Zielgruppe ist heute bunt gemischt: Von Pensionistinnen/Pensionisten bis zu AkademikerInnen.
Viele Kundinnen und Kunden achten heute nicht mehr in erster Linie auf den fairen Handel, sondern es gefällt ihnen unser Angebot (v.a. bei der Kleidung).
"Der Wert unserer Produkte ist in den Augen der Kundinnen und Kunden gestiegen."
Ernst Gassner: Früher, als wir noch in der Bahnhofstraße waren, war der Weltladen schon sehr alternativ. Damals waren wir schon eher die Jutesack-, Vollbart- und Schlapperpulli-Fraktion. Bei Manchen gibt es auch heute natürlich schon noch die Schwellenangst, aber …
"... wir sind in der Normalität angekommen."
Ernst Gassner: Das ist die ganz klassische Geschichte:
"Die Menschen wissen was es nicht alles gibt und was man nicht alles tun soll um die Welt zu „retten", aber dann in der konkreten Umsetzung ist das sehr, sehr mühsam."
Ein weiterer Faktor ist die gute alte Markentreue. Die Verfügbarkeit ist es nicht mehr und die Bekanntheit kann es auch nicht sein. Wenn man es mit dem billigsten Kampfpreis-Produkt aus dem Diskonter vergleicht, dann ist natürlich ein Preisunterschied vorhanden. Wenn ich den Preis mit hochwertigen Arabicasorten vergleiche, dann gleicht sich der Unterschied aus.
Maria Irauschek: Ich möchte bei den Textilien noch ergänzen, dass manche lieber viele Kleidungsstücke haben wollen, auch wenn sie dann nur wenige davon anziehen.
Ernst Gassner: Ja, bei den Textilien ist der Preisunterschied eklatant, da ist es für viele Menschen eine Preisgeschichte.
Maria Irauschek: Ja, wenn ich es mit dem Modediskonter vergleiche, aber nicht wenn ich es mit einem Fachgeschäft oder einer Boutique vergleiche. Man darf dabei auch nicht vergessen, dass es hochwertige Bio-Qualität ist und es teilweise Designerstücke sind.
Interview mit Maria Irauschek – Geschäftsführerin des Weltladens Amstetten
Ernst Gassner: Es hat uns natürlich geholfen, denn unsere Produzentinnen und Produzenten haben uns immer gesagt, dass sie Absatzmengen brauchen. Es ist natürlich viel leichter diese gemeinsam mit den Supermärkten zu erreichen, als nur in den damals noch Dritte-Welt-Läden und bei den Pfarrkaffees.
Maria Irauschek: Es bleiben halt schon Kundinnen und Kunden weg, die vielleicht andere Produkte wie Kleidung und Kosmetik dann nicht sehen. Das ist der einzige Nachteil.
Ernst Gassner: Beratung bekommt man im Supermarkt auch nicht. Wir machen Informations- und Bildungsarbeit und Kampagnen. Aber es ist schon wichtig, dass die fair gehandelten Produkte auch in den Supermärkten erhältlich sind. Das ist ja das Ziel des fairen Handels und….
Maria Irauschek: …. dass wir eines Tages überflüssig werden und alles fair ist.
Ernst Gassner: Die meisten Weltläden Österreichs sind auf Vereinsebene organisiert und haben ehrenamtliche und hauptamtliche MitarbeiterInnen, wobei die Ehrenamtlichen weitaus überwiegen. Das hat damit zu tun, dass die Marge, die wir auf unsere Waren haben, sehr gering ist im Vergleich zu Modeboutiquen. Bei Kleidung beträgt die Marge beispielsweise 40-50 %, in einer Boutique ist sie ein Vielfaches davon.
Die ARGE Weltläden wurde gegründet, da die Frage der besseren Vernetzung und des Erfahrungsaustausches im Raum stand. Es gibt heute klassische Marketingelemente, wie gemeinsame Folder, Werbemittel, Tragtaschen, in ganz Österreich einlösbare Gutscheine und vieles mehr.
Weltladen darf ich nur sein, wenn ich eine Benutzervereinbarung mit der ARGE Weltläden unterschreibe. Das ist kein Franchise-System, also man hat trotzdem noch viele Freiheiten, aber man darf nur von anerkannten Lieferanten- und Importorganistionen Produkte beziehen. Sie werden bei der Anerkennung überprüft und alle 2-3 Jahre einem Audit unterzogen. Eine Erleichterung ist, dass die großen Produktionskooperativen und Importorganisationen Mitglieder bei der WFTO (World Fair Trade Organization) sind, die auch ein Audit-System hat. Daher können wir garantieren, dass der faire Handel funktioniert. Wir, als ARGE Weltläden, sind da auch Mitglied und werden auch gecheckt.
Wir sind ja auch teils ähnlich wie eine NGO zu sehen. Wir verkaufen zwar Produkte, aber wir machen viel Informations- und Bildungsarbeit, gehen auch in Schulklassen oder Firmgruppen kommen zu uns.
Interview mit Ernst Gassner – Obmann des Vereins Weltladens Amstetten,
Vorstands-Vorsitzender der ARGE Weltläden und Vorstandsmitglied von FAIRTRADE Österreich
Maria Irauschek: Wir sind auch nicht gewinnorientiert.
Ernst Gassner: Wenn Gewinne gemacht werden, müssen diese in das Fairhandelssystem reinvestiert werden. Zweimal im Jahr findet die österreichweite Weltladenkonferenz mit 100-120 Menschen statt: Weiterbildung, Erfahrungsaustausch, ExpertInnenvorträge und ganz wichtig immer wieder Wissensaustausch mit unseren PartnerInnen aus dem globalen Süden. Und einmal im Jahr organisiert EZA Fairer Handel (die größte österreichische Fairhandelsorganisation) eine Reise für etwa 20 WeltladenmitarbeiterInnen zu mehreren ProjektpartnerInnen.
Maria Irauschek: Ich war bereits zweimal mit – in Mexiko und in Sri Lanka. Es war schon sehr beeindruckend. Der Gewürzgarten unserer Kleinstbäuerinnen und -bauern in Sri Lanka ist sehr naturnahe – alles wächst nebeneinander und Bienenstöcke stehen dazwischen. Das hat wirklich der faire Handel dort aufgebaut. Es schaut so schön aus, im Gegensatz zu den Monokulturen rundherum. Für die dort arbeitenden Leute selbst ist es ganz wichtig, dass biologisch produziert wird. Sie arbeiten dort, sie leben dort und sie können auch noch Lebensmittel für sich selbst dort anbauen. Für mich waren diese Reisen wirklich sehr beeindruckend.
Maria Irauschek: Bei der Ernährung, beim Wohnen, beim Einrichten. Ich achte auf umweltfreundliche Möbel, verwende keine Gifte in meinem Garten und kaufe biologisch produzierte Produkte. Ich schmeiße wenig weg, verwende alle Lebensmittelreste wieder und meine Textilien trage ich mehrere Saisonen.
"Wenn etwas mehr kostet, dann wird das auch mehr wertgeschätzt."
Ernst Gassner: Ich achte auf fair und Bio wo es möglich ist. Wir haben auch nie ein Auto besessen (ist durch unsere Wohn- und Arbeitsplatzsituation möglich).
Maria Irauschek: beides
Ernst Gassner: auch beides, aber beim Tee nur Schwarztee
Maria Irauschek: die meines Mannes
Ernst Gassner: die meiner Frau
Maria Irauschek: Mein schönster Job ist der Weltladen-Job.
Ernst Gassner: Ich war mit einem Freund in Ybbsitz bei der Gemeinde beschäftigt. Der Förster hat uns die steilen Hänge gezeigt, wo wir Stauden ausschneiden mussten. Am Abend haben wir dann 20 Zecken gehabt, aber es war sehr amüsant. Zwischendurch haben wir Frisbee gespielt oder auf einer Lichtung gejausnet.
Wie unser Sohn 1990 (die Tochter dann 1992) zur Welt kam, habe ich meinen Maschinenbau-Job aufgegeben und wurde Hausmann. Das ist schon auch eine sehr, sehr tolle Zeit gewesen, das mit den Kindern mitzuerleben. Meine jetzige Tätigkeit ist rein ehrenamtlich.
Maria Irauschek: Pfarrer Gravogl hat mich beeinflusst. Wie ich eine junge, kurz verheiratete Frau war, sind wir nach Amstetten in die Kirche gefahren und er hat das soziale Bewusstsein in mir gestärkt.
Ernst Gassner: Da gibt es mehrere. Am meisten beeinflusst haben mich wahrscheinlich meine Frau und meine Kinder, weil wir sehr viel gemeinsam unterwegs waren.
Maria Irauschek: dunkle Schokolade
Ernst Gassner: früher alle – jetzt nur mehr dunkle, aber nicht zu dunkle Schokolade
Maria Irauschek: Bei meinen Reisen zu den Produzentinnen / Produzenten hat mich die Gastfreundschaft sehr beeindruckt. Es sind zwei Welten – die Touristische und die zu Hause bei den Produzentinnen / Produzenten. Wir waren auch einmal bei einer Geburtstagsfeier eingeladen – es war sehr herzlich.
Ernst Gassner: In Thailand in einem Bergdorf habe ich eine Frau getroffen, die ihren Mann im Vietnamkrieg verloren hat. Sie war dreisprachig (ihre Muttersprache, thailändisch, chinesisch) und hatte eine Akkupunkturausbildung. Am Abend sind bei der Petroleumlampe die Patientinnen / Patienten zu ihr in die Hütte gekommen um sich behandeln zu lassen.
Maria Irauschek: meine zwei Reisen nach Mexiko und Sri Lanka
Ernst Gassner: Wir fahren seit 10 Jahren nach Südwest-Kreta, in kleinere Orte. Dort haben wir schon viele Menschen kennengelernt und einige sind Freunde geworden. Diese Region wird immer mehr zur Ökoregion – es gibt viele Bio-Bäuerinnen und Bauern. Es ist ein Land, wo die Wirtschaftskrise voll zugeschlagen hat und die Menschen trotzdem glücklich sind, obwohl es ihnen nicht so gut geht wie uns.
Maria Irauschek: Ein Leben in Würde für alle Menschen.
Ernst Gassner: Die guten alten Begriffe wie Solidarität, Gerechtigkeit – für möglichst viele Menschen.
Maria Irauschek: Ehrlichkeit, Teamfähigkeit und Kreativität
Ernst Gassner: Ich kann mich da anschließen. Die Freude an der Arbeit ist für mich noch wichtig.
Maria Irauschek: Dass viele Menschen fair gehandelte Osterhasen kaufen.
Ernst Gassner: Der Osterhase hat letzten Donnerstag die Zeitungsredaktionen aufgesucht und darauf aufmerksam gemacht, dass es noch immer sehr viel unvorstellbares Leid (v.a. in Westafrika) gibt. Vor allem bei Burschen zwischen 12 und 17 Jahren, die dort unter sklavenartigen Bedingungen Kakao ernten. Der Osterhase wünscht sich, dass die Zeitungen viel darüber berichten.
Der „Osterhase“ setzt sich für fair gehandelte Schokolade ein!
blog.wir-leben-nachhaltig.at/2018/03/27/interview-mit-maria-irauschek-und-ernst-gassner/